Dori Schaer-Born: "Ich liebe das Leben"

EXIT kann sich auf ein namhaftes Patronatskomitee mit bekannten Persönlichkeiten stützen, die öffentlich für das Selbstbestimmungsrecht der Menschen einstehen. Wir stellen in loser Folge die Sicht von Komitee-Mitgliedern zu wichtigen Fragen rund um das Lebensende vor.

Dori Schaer-Born, was wird für Sie beim Älterwerden wichtiger, was weniger wichtig?
Schon als junge Frau habe ich Bevormundung und Paternalismus schlecht ertragen. Das ist auch heute noch so. Zwar lasse ich mich gerne beraten, bin dankbar für jede Anteilnahme. Entscheiden aber will ich autonom. So wie ich mich seinerzeit in der Abtreibungsfrage für das Selbstbestimmungsrecht einer Frau oder eines Paares eingesetzt habe, ist für mich seit je das Recht auf einen selbstbestimmten Tod ein unverzichtbares Gut. Mit zunehmendem Alter habe ich aber Angst, den «richtigen» Zeitpunkt zu verpassen oder die Kraft nicht zu haben, meinen Tod selbst zu planen und herbeizuführen. Ich wäre deshalb dankbar für ein sanftes, «natürliches» Sterben. Meine Mitgliedschaft bei EXIT ist für mich wie eine Versicherung, die mir die Möglichkeit gibt, selbstbestimmt zu gehen, wenn es für mich richtig ist.

Wann und wie sind Sie zum ersten Mal mit Sterben und Tod konfrontiert worden?
Meine Grossmutter starb, als ich 13 Jahre alt war. Da sah ich zum ersten Mal einen toten Menschen. Ihr Anblick erschreckte mich sehr; sie lag so gelb und wächsern in ihrem Sarg! Aber dieser Tod und später das Sterben meiner Eltern entsprachen dem normalen Lauf der Dinge. Tief erschüttert hingegen hat mich der Krebstod meines ersten Mannes mit erst 47 Jahren, die brutale Endgültigkeit dieses Todes. Mein Mann ist nach einem schlimmen Leidensweg dank einer hohen Dosis Morphium zuhause gestorben. Mein zweiter Partner und ich hatten uns schon zu Beginn unserer Beziehung schriftlich die gegenseitige Hilfe bei einem gewünschten Freitod zugesichert. Nach einem vermutlichen Hirnschlag war für ihn der Zeitpunkt gekommen. Er ist im Beisein unserer Kinder in unseren Armen friedlich eingeschlafen – selbstbestimmt bis zuletzt.

Wie hat sich Ihre Einstellung zu Sterben und Tod im Laufe Ihres Lebens verändert?
Je älter ich werde, desto länger möchte ich noch leben. Ich erlebe die Schönheit der Welt intensiver als früher, kann mich sehr freuen an Landschaften, Wolkenbildern, Pflanzen, an der Weite des Himmels oder des Meeres. Ich liebe das Leben und möchte noch lange Anteil nehmen an der Welt und am Leben meiner Familie, Freundinnen und Freunde. Klar ist für mich: Mein Leben macht nur Sinn, solange ich fähig bin, ihm diesen zu geben. Doch was heisst das? Was ist noch lebenswert, was nicht mehr? Meine Kriterien haben sich diesbezüglich verändert, ich bin meinen altersbedingen «Bresten» und Einschränkungen gegenüber toleranter geworden. Ich habe nicht mehr Angst vor dem Tod, aber ich fürchte mich vor dem, was vor dem Tod kommen könnte – gerade weil die moderne Medizin die Grenzen des Lebens immer weiter hinausschieben kann. Am meisten Angst habe ich vor dem Abschied von meiner Familie. Ich weiss zwar, dass der Tod zum Leben gehört, aber es ist für mich eine schwierige und verletzende Vorstellung, dass die Welt sich einfach so weiterdrehen wird – ohne mich.

Was heisst für Sie Sterben in Würde?
Ich möchte niemandem für längere Zeit zur Last fallen, nicht für eine kurze Lebensverlängerung viel Geld verbrauchen. Ich möchte bis zuletzt an meiner Umwelt Anteil nehmen, denken, fühlen und kommunizieren können. Ich möchte nicht ausgeliefert und fremdbestimmt dahindämmern müssen. Bis zuletzt möchte ich der autonome Mensch bleiben, der ich Zeit meines Lebens war. Ich hoffe, dass ich wenn nötig die Kraft finden werde, zu gehen, wenn ich es noch mit offenem, wachem Geist tun kann.

Dori Schaer-Born (Jg. 1942)
2 Kinder und 1 Grosskind, zweimal verwitwet. Geboren und aufgewachsen in Bern, Ausbildung zur Lehrerin. Auslandsaufenthalte an Schweizerschulen in
Rio de Janeiro und Thailand. Als SP-Mitglied Gemeinderätin von Mühleberg BE, dann Grossrätin und von 1992–2002 Regierungsrätin. EXIT-Mitglied seit 1989, seit einigen Jahren im Patronatskomitee.

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