«Es war wunderbar, aber jetzt ist genug» – Heinz Rüegger über das Lebensende

Ein Gespräch mit dem Gerontologen, Ethiker und Theologen Heinz Rüegger über das Altern, die Kunst des Sterbens – und warum unsere Endlichkeit zum Leben gehört. Das vollständige Interview finden Sie im EXIT-«Info» 2.25 auf den Seiten 6 bis 9 (siehe Link weiter unten).

Herr Rüegger, die Menschen werden immer älter. Ist das ein Gewinn für unsere Gesellschaft?
Einerseits ist es schön, dass wir heute eine hohe Lebenserwartung haben. Andererseits erscheinen mir die Bestrebungen, das Leben immer noch mehr zu verlängern, fragwürdig. Unser Leben ist lang genug. Wir müssten eher wieder lernen, ein positives Verhältnis zu unserer Endlichkeit zu gewinnen und das «Sterben-Können» neu entdecken.

Was meinen Sie mit «Sterben-Können»?
Sterben-Lernen ist ein altes philosophisches Postulat. Es geht darum, ein gelassenes Verhältnis zur eigenen Endlichkeit zu entwickeln. Wer morgen bereit ist zu gehen, lebt heute bewusster.

Wie kann eine «Lebenskunst des Alterns» aussehen?
Lebenskunst heisst vor allem, in der Gegenwart so intensiv zu leben, dass man lebenssatt wird. Dann kann man getrost loslassen und «ab-danken» – ein wunderbarer Begriff.

Es gibt verschiedene Forschungsansätze, die den Alterungsprozess verlangsamen oder gar stoppen wollen. Welche ethischen Fragestellungen wirft die Suche nach dem «ewigen Leben» auf?
Endlichkeit gehört zum menschlichen Wesen. Sie ist eine gnädige Begrenzung, die es ermöglicht, dass Neues wachsen kann, indem Altes verschwindet. Der Wunsch, immer länger zu leben, ist Ausdruck einer egoistischen, gierigen Existenz, die sich selbst zu ernst nimmt. Das ist ethisch problematisch und ein Zeichen von mangelnder Reife.

Zur Diskussion um den Altersfreitod: Muss man schwer krank sein, um selbstbestimmt sterben zu können?
Ich persönlich finde den Alterssuizid auch ohne schwere Gebrechen legitim. Ich finde es moralisch nicht problematisch, wenn ein Mensch sagt, dass ihm das Leben nichts mehr bedeutet und er es beenden möchte. Es gibt meines Erachtens durchaus das Recht, in einer gewissen Situation nicht aus Verzweiflung, sondern aus ruhigem Abwägen zu sagen: es war wunderbar, aber jetzt ist genug.

Wie stehen Sie zur aktiven Sterbehilfe bei Demenz?
Ich finde es ethisch besser, auf aktive Sterbehilfe zu verzichten und Menschen mit Demenz so zu begleiten, dass sie – solange sie urteilsfähig sind – selbstbestimmt einen assistierten Suizid vollziehen können. Wer eine Alzheimer-Diagnose erhält, kann sich mit dem Umfeld absprechen und rechtzeitig gehen. Das gehört zu einer Ars moriendi – einer Kunst des eigenverantwortlichen Sterbens.

Kann ein gesellschaftlicher Druck entstehen, sich für den Tod zu entscheiden?
Ja, dieser entsteht aber nicht durch EXIT, sondern weil selbstbestimmtes Sterben heute allgemein zur Regel geworden ist. Aktuelle Daten aus der Schweiz zeigen, dass Menschen mehrheitlich erst sterben, nachdem sie auf lebensverlängernde Massnahmen bewusst verzichtet haben. Hauptsächlich stammt dieser Druck vom modernen Medizinsystem, das uns nun einmal vor medizinische Lebensende-Entscheidungen stellt. 

Haben Sie selbst Angst vor dem Sterben?
Grundsätzlich habe ich keine Angst vor dem Tod. Ich will aber nicht den grossen Helden spielen, es wird sich zeigen. Die Möglichkeit von EXIT und das Wissen, im schlimmsten Fall eine Wahl zu haben, entlasten mich sehr.

Hier geht es zum ausführlichen Interview mit Heinz Rüegger

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