Gesetzliche Regelung der Suizidhilfe in der Schweiz: ein kurzer Überblick

Der assistierte Suizid ist in der Schweiz ein viel diskutiertes Thema – zuletzt wieder verstärkt durch den erstmaligen Einsatz der Sarco-Kapsel. Während einige Stimmen eine spezifischere Gesetzgebung fordern, zeigt ein Blick auf die bestehende Rechtslage: Die Praxis ist bereits auf mehreren Ebenen klar geregelt.

Die Schweiz verfügt über kein Spezialgesetz zur (organisierten) Suizidhilfe. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein rechtsfreier Raum besteht. Vielmehr enthält das schweizerische Recht auf ganz unterschiedlichen Ebenen einschlägige Rechtsgrundlagen.

Auf einer ersten Ebene schützt die Bundesverfassung (BV) in Verbindung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) das Grundrecht auf Selbstbestimmung über das eigene Lebensende. Dieses Grundrecht gibt zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf staatliches Handeln. Es bedeutet aber, dass der Staat die Ausübung dieses Grundrechts nicht durch übermässige Hürden einschränken darf.

In einer zweiten Ebene regelt das Strafgesetzbuch (StGB) die Suizidhilfe ganz direkt. Nach Art. 115 StGB ist die Suizidhilfe erlaubt, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen: Erstens muss die betroffene Person die Tatherrschaft über den Suizidvorgang haben. Das heisst, sie muss den Suizid in der Regel eigenhändig ausführen, also das Suizidmittel selbst trinken oder die Infusion selbst in Gang setzen. Zweitens darf die helfende Person keine selbstsüchtigen Motive haben, insbesondere keine übermässigen finanziellen Anreize verfolgen.

Auf einer dritten Ebene ist das Medizinrecht zu berücksichtigen. Zwar gibt es auch hier keine Spezialgesetzgebung, doch regelt das Medizinrecht insbesondere die Sorgfaltspflichten der Ärztinnen und Ärzte bei der Abgabe des Suizidmittels. Wichtig sind hier insbesondere die eigene Untersuchung, die umfassende Information und die Prüfung der Urteilsfähigkeit. Die Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) sowie das FMH-Standesrecht sind hingegen kein objektives Recht und gelten nur insoweit, als sie mit dem Gesetz übereinstimmen.

Schliesslich sind auf einer vierten Ebene diverse Gerichtsentscheide zu erwähnen. So hat insbesondere das Schweizerische Bundesgericht schon einige Fragen zur Suizidhilfe geklärt. Das Bundesgericht hat beispielsweise festgehalten, dass auch psychisch kranken Menschen unter bestimmten Voraussetzungen Suizidhilfe geleistet werden darf. Ebenso hat das Bundesgericht jüngst entschieden, dass in der Schweiz auch der Bilanzsuizid gesetzlich erlaubt ist und z. B. die Medizingesetze in solchen Fällen nicht anwendbar sind (dafür Art. 115 StGB und die Regeln der BV und EMRK).

Damit gibt es in der Schweiz trotz fehlendem Spezialgesetz eine umfassende Regelung der Suizidhilfe.

Immer wieder finden in der Schweiz aber Debatten über den Umgang mit Leben und Tod statt. Zuletzt wurden diese durch den erstmaligen Einsatz der Sarco-Suizidkapsel befeuert. Im Rahmen dieser Debatten ertönt zum Teil der Aufruf, die Schweiz brauche eine spezialgesetzliche Regelung der Suizidhilfe.

Es ist richtig und wichtig, dass Debatten über den Umgang mit Leben und Tod geführt werden. Nicht notwendig ist hingegen ein Spezialgesetz – und zwar aus ganz unterschiedlichen Gründen:

  • Wie dargestellt, gibt es in der Schweiz keine Gesetzeslücke. Vielmehr ist die Suizidhilfe auf verschiedenen Ebenen bereits gesetzlich und gerichtlich geregelt.
  • Aus rechtsvergleichender Sicht ergibt sich kein Handlungsbedarf. Vergleicht man die rechtliche Situation in der Schweiz mit jener in anderen Ländern, zeigt sich, dass die Schweiz zwar eine liberale Regelung kennt, aber damit nicht einzigartig heraussticht. Einige Länder kennen eine noch liberalere Regelung und gewähren weitergehende Freiheiten am Lebensende.
  • Der Bundesrat hat 2011 nach umfassender Prüfung entschieden, dass keine zusätzlichen Regelungen notwendig sind. Diesen Entscheid hat er am 20. November 2024 in seiner Antwort auf eine Interpellation nochmals bekräftigt.
  • Auch aus Sicht der Schweizer Stimmberechtigten besteht kein Handlungsbedarf. Dies ergibt sich aus den bisherigen Abstimmungen zum Thema, die stets mit deutlicher Mehrheit zugunsten von Liberalisierungen und gegen Einschränkungen ausgefallen sind.
  • Schliesslich ist auch aus rechtswissenschaftlicher Sicht kein Regelungsbedarf erkennbar. Die wesentlichen Fragen zur (organisierten) Suizidhilfe sind gesetzlich geregelt oder durch Gerichtsurteile geklärt. Dazu zählen, wie erwähnt, die Suizidhilfe bei psychisch kranken oder betagten Menschen, die Definition der selbstsüchtigen Beweggründe, Fragen zur Tatherrschaft etc. Was die umstrittene Sarco-Suizidkapsel angeht, werden die Behörden und Gerichte auf Basis des bestehenden Regelungsumfelds ebenfalls alle offenen Fragen klären.

Zusammenfassend ergibt sich aus keiner der unterschiedlichen Perspektiven ein Bedarf an weiteren Regelungen. Die bestehende Regelung ist flexibel und praxisorientiert. Sie schützt einerseits vor Missbräuchen, misst aber andererseits dem Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Personen eine grosse Bedeutung zu. Auch zukünftige Herausforderungen können mit der bestehenden Gesetzeslage zuversichtlich bewältigt werden.

Das Fazit lautet: „Don’t fix what’s not broken.“ So hat es der juristische Experte Dr. Daniel Häring in seiner rechtlichen Auslegeordnung auf den Punkt gebracht. Die aktuellen Regelungen genügen, sie sind vollständig und angemessen.

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