Jacqueline Jencquel: keine verzweifelte Geste, sondern klarer Abschluss eines Lebens
Die französische Sterbehilfe-Aktivistin Jacqueline Jencquel hat sich im März 2022 das Leben genommen. Sie wurde 78 Jahre alt. Jencquel war nicht unheilbar krank. Sie war gesundheitlich und geistig fit. Es war ihr fortschreitendes Alter, das sie dazu brachte, ihr Leben zu beenden. Sie fand das Altern unerträglich und wollte sterben, bevor es ihrer Meinung nach richtig unwürdig würde.
In ihrem letzten Blog-Eintrag bei einer Westschweizer Zeitung schrieb sie vor ihrem Suizid: «Ich will meinen eigenen Verfall nicht mit ansehen. Ich will nicht schon im Sterben liegen, um das Recht zu haben, zu sterben. Ich bin alt, aber noch klar und urteilsfähig. Die Welt gefällt mir nicht mehr. Es gibt keine Weisen und Philosophen mehr, die sie anführen. Nur noch fanatische Ideologien und Dummköpfe, die ihnen folgen. Paris ist schmutzig. Die Seine ist zu einem Müllhaufen geworden. Genauso wie die Seen und Ozeane auf der ganzen Welt.»
Bis zu ihrem Tod kämpfte Jacqueline Jencquel mit der französischen «Vereinigung für das Recht, in Würde zu sterben» für eine Legalisierung der in Frankreich bisher verbotenen Suizidhilfe.
Jencquel engagierte sich auch in der Schweiz für das selbstbestimmte Lebensende und wirkte bei EXIT in der Kommission «Altersfreitod» mit. Diese untersuchte Massnahmen für einen erleichterten Zugang zum Sterbemittel Natrium-Pentobarbital (NaP) für betagte Menschen.
Jacqueline Jencquel wurde schon als Kind in ihrem familiären Umfeld für das Thema des assistierten Suizids sensibilisiert. Erzählungen ihrer Mutter über die Krankheit der Grossmutter hatten sie geprägt. Diese starb im Alter von 38 Jahren unter unerträglichen Schmerzen an Brustkrebs. Zuvor hatte sie ihren Mann darum gebeten, sie umzubringen, was ihm jedoch nicht gelang.
2018 kündigte Jacqueline Jencquel an, sie wolle mit Hilfe einer Sterbehilfeorganisation in der Schweiz aus dem Leben scheiden. "Das Alter ist eine unheilbare Krankheit", argumentierte sie damals. Jede und jeder solle den eigenen Todeszeitpunkt wählen dürfen, auch ohne unheilbar krank zu sein. Jencquels Aussagen eckten an. Kritische Stimmen warfen ihr vor, ihr Leben aus rein oberflächlichen Gründen beenden zu wollen. Nun hat Jacqueline Jencquel tatsächlich ihr Leben beendet. Allerdings nicht in der Schweiz,sondern allein bei sich zu Hause in Frankreich.