Sabine Boss: «Der Tod meines Vaters hat mich geprägt»

EXIT kann sich auf ein namhaftes Patronatskomitee mit bekannten Persönlichkeiten stützen, die öffentlich für das Selbstbestimmungsrecht der Menschen einstehen. Wir stellen in loser Folge die Sicht von Komitee-Mitgliedern zu wichtigen Fragen rund um das Lebensende vor.

Sabine Boss, was wird für Sie beim Älterwerden wichtiger, was weniger wichtig?
Beim Älterwerden ist tatsächlich die Gesundheit ein Thema, das immer mehr in meinen Gedanken auftaucht. Noch bin ich sehr gesund und mein Körper macht alles mit, was ich will. Ich empfinde das je länger je mehr als ein nicht selbstverständliches Privileg. Beim Älterwerden wird mir auch zunehmend die Zeit nach meiner Arbeitswelt bewusst. Das wirft Fragen auf: Wie werde ich mich nach der Pensionierung beschäftigen? Wie kann ich mein Wissen weitergeben und mich sinnvoll in unserer Gesellschaft engagieren?

Wann und wie sind Sie zum ersten Mal mit Sterben und Tod konfron-
tiert worden?

Ich bin als Pfarrerskind aufgewachsen. Tod und Trauer waren immer ein sichtbares Thema bei uns, weil die Trauernden auch bei uns vorbeikamen und wir manchmal unseren Vater auch bei Krankheitsbesuchen begleitet haben. Den ersten toten Menschen habe ich als Kind gesehen, als ich heimlich und verbotenerweise in einen aufgebahrten Sarg geschaut habe. Dieses Bild hat mich in meinen Träumen verfolgt. Der erste Tod in meiner Familie, der mich nachhaltig beeinflusst hat, war der meiner Grossmutter. Sie hat bei uns gelebt, wir Kinder nannten sie Ama, und sie ist in meinen Gedanken immer noch präsent. In der direkten Erfahrung hat mich der Tod meines Vaters vor zehn Jahren geprägt. Wir sassen neben ihm, als er starb. Es war eine Erfahrung voller Widersprüche. Aufgrund der Auskünfte des Palliativmediziners war mir klar, dass er nichts mehr spürte, aber er gab Laute von sich, die mich zutiefst erschüttert haben und mir auch heute noch nachgehen. Nachdem er seinen letzten, hörbaren Atemzug getan hatte, war der Moment, in dem seine Seele den Körper verlassen hat, wirklich im Raum spürbar. Danach war er tot. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Da war nicht mehr Paps, da war nur noch eine körperliche Hülle.

Wie hat sich Ihre Einstellung zu Sterben und Tod im Laufe Ihres
Lebens verändert?

Das Leben endet mit dem Sterben. Das ist eine Tatsache, der wir uns nur ungern stellen. Ich wünsche mir, dass ich versöhnt und bewusst sterben kann, wenn es so weit ist. Natürlich habe ich eine Riesenangst vor dem Tod. Weil ich nicht weiss, was danach kommt und ob ich dann noch etwas spüren werde.

Was heisst für Sie Sterben in Würde?
Sterben in Würde ist eine Sache, die wohl jeder Mensch für sich anders
beschreiben würde. Für mich heisst Sterben in Würde, dass ich nicht dazu gezwungen werde weiterzuleben, falls ich nicht mehr will. Auch
wenn meine Angst vor dem Tod und dem Dasein danach gross ist, entlastet mich der Gedanke, dass ich dank EXIT den Sprung ins Unbekannte selber wählen kann

Sabine Boss wurde 1966 in Aarau geboren. Von 1992 bis 1995 hat sie ein Fachstudium Film/Video an der Hochschule der Künste in Zürich (ZHdK) absolviert. Seit 2000 arbeitet Sabine Boss als freie Autorin und Regisseurin für Film, Fernsehen und Theater. Unter ihrer Regie entstanden Fernseh- und Kinofilme wie «Ernstfall in Havanna», «Verdacht», «Jagdzeit» oder Folgen von «Tatort» und die Serie «Neumatt». Mit ihrem Spielfilm «Der Goalie bin ig» gewann sie in fünf Kategorien den Schweizer Filmpreis, dazu den Swiss Award, den Aargauer Kulturpreis und den Prix Walo. 2017 übernahm sie ausserdem die künstlerische Studienleitung Bachelor und Master Film an der ZHdK.

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