Sterbehilfe in Deutschland: Beratungspflicht als Zankapfel

Vor knapp einem Jahr hob das deutsche Bundesverfassungsgericht das bestehende Verbot der Sterbehilfe in einem wegweisenden Urteil auf. Damit ist der Bundestag gefordert, der Suizidhilfe einen neuen gesetzlichen Rahmen zu setzen. Erste Vorschläge für gesetzliche Regelungen stossen zum Teil auf Kritik.

Unter anderem hat eine Gruppe von Abgeordneten von SPD, FDP und Linken rund um die FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr einen "Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Suizidhilfe" eingereicht. Dieser formuliert das Recht, Hilfe bei der Beendigung des eigenen Lebens in Anspruch zu nehmen, sofern der Wille dazu frei und autonom gebildet ist. Eine neue Vorschrift im Strafgesetzbuch ist darin nicht vorgesehen.

Helling-Plahr will insbesondere den freien Willen des Einzelnen ins Zentrum stellen und den Zugang zu einem Sterbemittel ermöglichen, allerdings nur mit entsprechenden Schutzkonzepten. Der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach unterstrich, wie wichtig ein "Sicherheitsnetz" von staatlich organisierten Beratungsstellen sei, um etwa psychisch Kranke auszuschliessen.

Der fraktionsübergreifende Vorstoss stösst jedoch nicht nur auf Zuspruch. Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) begrüsst den Gesetzesentwurf zwar grundsätzlich. Er sei von einem liberalen und humanistischen Weltbild geprägt und werde den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts weitgehend gerecht, meint DGHS-Präsident Robert Rossbruch. Auch die vorgesehene Schaffung von staatlich anerkannten Beratungsstellen befürwortet er ausdrücklich. Doch er sieht auch Bedarf an diversen Nachbesserungen. So werde beispielsweise das Beratungsrecht eines Suizidwilligen im Entwurf zu einer Beratungspflicht. Die Beratung müsse aber freiwillig bleiben.

Der vom früheren Hamburger Justizsenator Roger Kusch gegründete Verein Sterbehilfe äusserte sich negativer: Das als liberal angekündigte Gesetz sei verfassungswidrig. In einer Pressemitteilung des Vereins kommentierte der Strafrechtler Prof. Dr. Bernd Hecker den Gesetzentwurf Helling-Plahr folgendermassen:

„Die Regelung des § 6 Abs. 3 beschränkt in unverhältnismässiger Weise die Tätigkeit von Sterbehilfevereinen, da auch die mit ihnen zusammenarbeitenden Ärzte nur bei Vorlage einer Beratungs-Bescheinigung ein Arzneimittel zum Zwecke der Selbsttötung verschreiben dürfen. Durch den staatlichen Beratungszwang werden Sterbewillige einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, der mit ihrem Grundrecht auf selbstbestimmte Lebensbeendigung unvereinbar ist."
Am liberalsten und effektivsten werde das Selbstbestimmungsrecht nach Vorbild der Schweiz geschützt, in dem man Sterbehilfevereine im Rahmen der geltenden Rechtslage gewähren liesse, so der Verein weiter.

Die Politikerinnen und Politiker um Helling-Plahr wollen nun zusätzliche Abgeordnete für ihren Entwurf gewinnen. Sie streben eine offene Plenumsdebatte sowie eine Neuregelung noch vor der Bundestagswahl im kommenden Herbst an.

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