Jahresbericht 2022

Vorstand und Geschäftsstelle

Präsidium (Marion Schafroth)

Anerkennung für "stilles Schaffen und Menschlichkeit"

Am 21. Mai 2022 fand unsere Vereinsversammlung (VV) im «Volkshaus» Zürich statt. Dabei konnten unsere Mitglieder ihre Stimme erstmals wahlweise im Voraus online (650 Personen) oder an der Versammlung physisch (186 Personen) abgeben. Nach umfangreichen Vorbereitungen ging die VV – insbesondere die Stimmenauszählung – pannenfrei über die Bühne. Beim Traktandum Vorstandswahlen folgten die Mitglieder diskussionslos den Empfehlungen. Somit besteht der Vorstand seit Juni aus Marion Schafroth (bisher, Präsidentin), Katharina Anderegg (bisher, Ressort Recht, neu auch Vizepräsidentin), Anita Fetz (neu, Ressort Kommunikation), Andreas Russi (bisher, Ressort Finanzen) und Andreas Stahel (bisher, Ressort Freitodbegleitung).

Neben der Durchführung der VV liegt der Schwerpunkt meiner Tätigkeit als Präsidentin in der Vorbereitung und Leitung der insgesamt acht jährlichen Vorstandssitzungen. In enger und guter Kooperation mit dem Geschäftsführer wahre ich Übersicht über die wesentlichen Belange unseres Vereins und sorge dafür, dass der Vorstand alle wichtigen Fragestellungen und Projekte zeitgerecht diskutieren und dazu notwendige Beschlüsse fassen kann. Denn Geschäfte mit massgeblichen personellen und/oder finanziellen Auswirkungen werden zwar eigenständig innerhalb der zuständigen Ressorts vorbereitet, benötigen aber die Genehmigung durch den Gesamtvorstand. Bei allen Vorstandsmitgliedern besteht Konsens über die wichtigsten strategischen Ziele für die kommenden Jahre:

  • Weiterentwicklung der Organisation unter Bewahrung der Qualität auch bei Wachstum;

  • Lobbying in Politik und Ärzteschaft ausbauen und pflegen;

  • Öffentlichkeitsarbeit intensivieren.

    Wie schon in vergangenen Jahren wirkte ich als Mitglied in folgenden EXIT-internen Gremien mit: Ethikkommission (4 Sitzungen), Anlagekommission (4 Sitzungen) und Arbeitsgruppe Patientenverfügung (1 Sitzung).

    Nach dem Abflauen der Corona-Pandemie kam 2022 das öffentliche Leben wieder in Gang. So konnte ich EXIT an einigen Anlässen vertreten, wobei ich folgende speziell herausheben möchte:

  • Weltkongress der Sterbehilfeorganisationen in Toronto (November 22);

  • Jahresempfang des US-Botschafters in Bern (Juli 22);

  • Grosses EXIT-Podium «40 Jahre Sterbehilfe» in Zürich (Mai 22).

    Ein Höhepunkt war die Auszeichnung mit dem Jonas-Furrer-Preis. Dieser ist mit 20000 Franken dotiert und wird verliehen in Anerkennung für «stilles Schaffen und Menschlichkeit». Als Präsidentin durfte ich ihn am 26. November stellvertretend für EXIT in Zürich in Empfang nehmen. Dies tat ich im Bewusstsein, dass unser Verein nur deshalb so erfolgreich Bestand hat, weil viele Menschen bereit sind, sich in verschiedenen Funktionen für unseren Vereinszweck einzusetzen.

    Ihnen allen spreche ich mein riesiges Dankeschön für dieses Engagement aus: den Mitarbeitenden der Geschäftsstelle und der Aussenbüros, den Mitgliedern des Begleitteams, der Geschäftsprüfungskommission, den Konsiliarärztinnen und Konsiliarärzten, dem Stiftungsrat palliacura, dem Geschäftsführer, der Leitung Freitodbegleitung sowie meinen Kolleginnen und Kollegen im Vorstand. Last but not least auch unseren aktuell über 150000 Mitgliedern, die mit ihren Mitgliederbeiträgen und oft auch zusätzlichen Spenden das tragfähige finanzielle Fundament garantieren.

Freitodbegleitung (Andreas Stahel)

Freitodbegleitung: Ausbau der Dienstleistungen auf Kurs

Das Jahr stand ganz im Zeichen der Umstrukturierung des Ressorts Freitodbegleitung (FTB) und des Ausbaus des Konsiliarärzte-Pools. Auch wurde der Vorstand durch neue Richtlinien der ärztlichen Standes-Organisationen und der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) stark gefordert.

Regionalisierung der Organisation: Die Freitodbegleitung kommt näher zu den EXIT-Mitgliedern und kann dadurch deren Bedürfnisse besser und rascher erfüllen. Nach langen Vorbereitungen haben wir im Frühjahr den Start für eine operative Aufteilung in 7 Regionen lanciert, anstelle der bisherigen rein zentralen Führung von Zürich aus. Mit den 7 Regionalleitungen, welche in einem Wahlverfahren gestaffelt ausgesucht wurden und nun an ihre Aufgaben herangeführt werden, können wir die regionalen Begleitpersonen enger und zeitnaher unterstützen. Zudem kann die regionale Vernetzung mit Behörden, Institutionen, Ärzten und anderen Begleitpersonen zugunsten von hilfesuchenden Mitgliedern optimaler koordiniert und umgesetzt werden. Bis ca. im September 2023 sollte der ganze Prozess abgeschlossen sein. Natürlich bleibt die operative Gesamtleitung von Zürich aus weiterhin bestehen und führt und organisiert das Ressort FTB ganzheitlich.

Ausbau der zentralen Ressortleitung: Ein Ausbau der EXIT-Personalabteilung und des Ressorts Kommunikation wird zukünftig zu einer deutlichen Entlastung unserer Ressortleitungspersonen führen. Zusätzlich werden wir neu per 1.1.2023 eine Stabsstelle «Koordination Aus- und Weiterbildung/Interne Kommunikation FTB» schaffen. Nebst einer Entlastung der Ressortleitung dient dies der qualitativen und strukturellen Aufwertung der Ressortorganisation. Die Aus- und Weiterbildungsqualität wird dadurch professioneller und bedarfsadaptierter gestaltet werden können und die interne Kommunikation wird verbessert.

Mit all diesen Umstrukturierungen und Reorganisationen glauben wir, bestens für die Zukunft mit weiterem Mitgliederwachstum gerüstet zu sein.

FTB-Seminar: Unser jährliches Fortbildungsseminar-Wochenende im November stand diesmal im Zeichen der administrativen Digitalisierung unserer Tätigkeit. Dabei wurde auch dem Datenschutz gebührend Rechnung getragen. Zudem wurden die bisherigen Prozesse zum Vorgehen in Heimen und Spitälern durchleuchtet und Verbesserungspotentiale besprochen. Im medizinisch fachlichen Schwerpunkt wurde die Parkinson-Krankheit umfassend behandelt.

Konsiliarärzte: Immer noch möchten viele behandelnde Haus- und Fachärzte nicht selbst ein Rezept für das Sterbemittel ausstellen. Deshalb brauchen wir in der Hälfte aller Freitodbegleitungen einen EXIT-Konsiliararzt dafür. Aufgrund unseres Mitglieder-Wachstums ist die Rekrutierung von neuen Konsiliarärzten dringend notwendig. Angetrieben von ersten Erfolgen Ende 2021 durch direktes Anschreiben von Psychiatrie-Fachärzte-Praxen, haben wir in diesem Jahr zwei weitere solche, grossangelegte Aktionen in den Fachbereichen der Psychiatrie und der Hausärzte/ Internisten durchgeführt.

In vielen für uns wichtigen Regionen der Deutsch-Schweiz konnten wir dadurch bisher in den entsprechenden Fachgebieten eine erfreuliche Anzahl von neuen Konsiliarärzten anwerben. Dieses gute Resultat erlaubt uns, die zukünftig weiter zunehmende Anzahl von Freitodbegleitungen sorgenfreier zu bewältigen. Deshalb werden wir die gleiche direkte Werbeaktion im 2023 auch in den noch verbleibenden Regionen fortsetzen. Zudem wird EXIT den Kontakt zu den Ärzten vermehrt mittels Fortbildungen und Präsenz in verschiedenen Ärztegremien ausbauen.

SAMW: Das ärztliche Standesrecht und die neuen Richtlinien der SAMW zur Suizidhilfe sind kein objektives Recht und juristisch gesehen nur als Orientierungshilfen zu betrachten, welche nicht immer vollständig und zwingend zu berücksichtigen sind. Kein Verband kann einem Arzt dessen Ethik und Moral vorschreiben. So ist zum Beispiel das Vorliegen eines «schwerwiegenden Leidens» keine gesetzliche Vorgabe für eine zulässige ärztliche Suizidhilfe. Zudem verletzen die Richtlinien der SAMW das ärztliche Berufsgeheimnis, indem sie eine Pflicht zur Einbindung der Bedürfnisse der Angehörigen vorschreiben.

Fazit: Die SAMW-Richtlinien zur ärztlichen Suizidhilfe enthalten diverse Elemente, welche unter rechtlichen Kriterien kaum Geltung beanspruchen dürften. Die bestehende Praxis von EXIT bewährt sich seit Jahren und entspricht den Vorgaben der geltenden Gesetze und der Rechtsprechung in der Schweiz. Aus diesen Gründen ist der EXIT-Vorstand der klaren Meinung, dass diese neuen Richtlinien intern keinerlei Änderungen am bisherigen ärztlichen Abklärungsgang zur Folge haben müssen, soweit sie einen Wunsch nach Suizidhilfe in Kooperation mit EXIT betreffen. In diesem Kontext werden wir auch dem Thema Altersfreitod noch mehr Beachtung schenken!

Aus der Statistik

Tabelle 1: Anzahl Akteneröffnungen (AE) / Freitodbegleitungen (FTB) / Mitglieder (MG)

Statistik AE/FTB/MG

202220212020

2019

2018

2017

Akteneröffnungen

156713281185

1152

1207

1031

FTB total

1125973913

862

905

734

FTB Frauen

660 (58,7%)

571 (58,7%)

538 (58,9%)

508 (58,9%)

516 (57,0%)

442 (60,2%)

FTB Männer

465 (41,3%)402 (41,3%)

375 (41,1%)

354 (41,1%)

389 (43,0%)

292 (39,8%)

Durchschnittsalter (Jahre)

79,678,278,7

78,2

78,2

78,1

EXIT-Mitglieder 31.12.

154118142 233

135 041

128 212

120 117

110 391

Kommentar: Die Anzahl Akteneröffnungen (plus 18%) und die Anzahl Freitodbegleitungen (plus 15%) sowie die Mitgliederzahl (plus 8%) stiegen wiederum stark an und widerspiegeln das kontinuierliche Wachstum von EXIT.

Zunehmende Professionalisierung der Strukturen sowie quantitativer und qualitativer Organisationausbau sind die logische und notwendige Folge davon, damit unsere Dienstleistungen mit dieser rasanten Entwicklung Schritt halten können.

Tabelle 2: Sterbeort

 

202220212020201920182017

privat

855 (76%)

784 (81%)

748 (82%)731 (85%)760 (84%)613 (85%)

Sterbezimmer EXIT

61 (6%)

42 (4%)

33 (4%)20 (2%)23 (3%)36 (5%)

Heim

209 (18%)

147 (15%)

132 (14%)111 (13%)122 (13%)85 (12%)

Kommentar: Eine signifikante Zunahme der Freitodbegleitungen in Heimen widerspiegelt die allmählich fortschreitende Tendenz zur gesellschaftlichen Liberalisierung der Sterbehilfe. Zudem zeigt der Anstieg in der Belegung von Sterbezimmern ein klares Bedürfnis auf. Er ist mehrheitlich auf die grosse Zahl von Begleitungen im neuen Sterbezimmer auf der Geschäftsstelle in Zürich zurückzuführen.

Tabelle 3: Anzahl FTB in ausgewählten Kantonen

 

202220212020

2019

2018

2017

Kanton ZH

396304312

288

329

274

Kanton BE

156137133

124

107

90

Kanton AG

10310986

93

92

67

Kanton SG

706253

50

49

40

Kantone BS + BL

92 (40+52)88 (47+41)

79 (35+44)

52 (28+24)

86 (44+42)

63 (38+25)

Anzahl FTB 2022 in weiteren Kantonen: TG 59, LU 49, SO 33, TI 28, GR 22, ZG 23, SZ 20

Kommentar: Tabelle 3 zeigt die Entwicklung in den Kantonen mit den grössten FTB-Zahlen. In den Kantonen ZH, BE, BL sowie in den Ostschweizer Kantonen SG, TG und SH verzeichnen wir deutlich höhere Fallzahlen als im 2021.

Tabelle 4: zu Grunde liegende Krankheiten bei FTB (gerundet auf volle %-Zahlen)

                                                           2022

                   2021

            2020

       2019   

ALS

353%232 %

19

2 %

26

3 %

Augenkrankheit

60%111 %

8

1 %

14

2 %

Demenz

333%25

3 %

25

3 %

15

2 %

Herzerkrankung

242%24

2 %

34

4 %

22

3 %

Hirnschlag

202%22

2 %

23

3 %

35

4 %

HIV

20%0

0 %

3

0 %

2

0 %

Krebserkrankung

41337%340

35 %

333

36 %

311

36 %

Lungenkrankheit

464%48

5 %

51

6 %

45

5 %

MS

101%22

2 %

19

2 %

14

2 %

Nierenkrankheit

50%1

0 %

4

0 %

5

1 %

Parkinson

434%32

3 %

30

3 %

32

4 %

Polymorbidität

32028%264

27 %

227

25 %

227

26 %

Polyneuropathie

161%7

1 %

11

1 %

8

1 %

Psychische Krankheit

242%13

1 %

21

2 %

17

2 %

Schmerzpatient

10810%119

12 %

85

9 %

64

7 %

Tetraplegie

40%6

1 %

4

0 %

0

0 %

Andere

161%162 %

16

2 %

25

3 %

Total

1125 973 

913

 

862

 

Kommentar: Gegenüber 2021 resultierten ein paar erwähnenswerte Verschiebungen, wie z.B. eine Zunahme bei den Gruppen der ALS-, Parkinson- und Krebserkrankungen. Bei den polymorbiden Krankheitsfällen scheint sich ein Trend fortzusetzen, welcher aufgrund der zunehmenden Überalterung der Bevölkerung kaum erstaunt. Im Gegensatz dazu ist die Zahl bei MS-Erkrankten deutlich rückläufig. Allerdings ist die Fallzahl zu klein, um eine schlüssige Begründung dafür liefern zu können.

 

Kommunikation (Anita Fetz)

Kritisch überprüft

Am 1. Juni 2022 durfte ich im Vorstand das Dossier Kommunikation von meinem Vorgänger Jürg Wiler übernehmen. Ich fand ein gut organisiertes Team vor, verstärkt durch eine zusätzliche Mediensprecherstelle. Kaum war bekannt, dass ich im Vorstand das Ressort Kommunikation übernehmen werde, wurde ich oft gefragt: Warum braucht EXIT überhaupt eine professionelle Kommunikation? Es ist doch bereits eine sehr bekannte, seriöse und grosse Sterbehilfeorganisation? Für mich sind es u.a. folgende Gründe:

  • In der breiten Öffentlichkeit und bei unseren Mitgliedern besteht nach wie vor ein grosses Informationsbedürfnis.

  • Die Sterbehilfe ist in der Schweiz akzeptiert. Das haben mehrere Umfragen gezeigt. Allerdings sind relevante Entscheidungsträger in Politik und Medizin immer noch sehr zurückhaltend, was die Umsetzung betrifft.

  • EXIT soll auch deshalb wachsen, weil damit der Einfluss auf diese Kreise wächst, damit wir die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten für die Sterbehilfe verbessern können.

    Wir nahmen den Wechsel und den Einstieg in die neue Zusammenarbeit zum Anlass, die ganze EXIT-Kommunikation von innen und aussen kritisch zu überprüfen. Das Resultat: Sie funktioniert gut, wird wahrgenommen und benötigt lediglich eine kleine Modernisierung im Visuellen.
    Um beurteilen zu können, wie unser EXIT-«Info» bei den Mitgliedern ankommt, haben wir eine Befragung durchgeführt, die uns positiv überrascht hat (siehe auch Beitrag auf S. 12): Die grosse Mehrheit liest das Heft ganz oder teilweise, fühlt sich über die EXIT-Massnahmen gut informiert und weiss von einer zweiten Leserin des eigenen Heftes. Allerdings wünscht man sich noch etwas mehr Informationen zum Stand des Themas «Sterbehilfe» in der kantonalen und eidgenössischen Politik. Die Redaktion wird das natürlich aufnehmen und ermutigt vom positiven Feedback weiterhin ein interessantes und schönes Heft produzieren. Alle, die es lesen wollen, können das Heft auch digital beziehen, (www.exit.ch/newsletter) oder das Magazin auf unserer Website lesen (www.exit.ch/mitgliedschaft/ mitglieder-magazin).

    Im Weiteren haben wir die aus dem Jahr 2008 stammende Kommunikationsstrategie von EXIT neu definiert und grob die zukünftigen Massnahmen für die nächsten Jahre daraus abgeleitet. Diese unterstützen die vorher im Vorstand definierten 4-Jahres-Ziele. Im Dezember ist die Strategie vom Vorstand verabschiedet worden.

    Im Herbst haben wir unsere Kolleginnen und Kollegen von EXIT Suisse Romande bei der kantonalen Abstimmungskampagne im Wallis in Bezug auf die Öffnung der Heime für Sterbehilfeorganisationen unterstützt. Über den fulminanten Erfolg an der Urne haben wir uns mit ihnen gefreut.

    Ebenfalls im Herbst fand unsere Plakate-Aktion in Bus und Tram der Städte Basel, Bern und Zürich statt: Sie hat für einiges Aufsehen gesorgt und uns viele neue Mitglieder gebracht: rund 155000 sind es Ende 2022.

    Diesen Mitgliedern sind wir verpflichtet. Sie erhalten alle relevanten Informationen rund ums Thema Sterbehilfe und die Aktivitäten von EXIT in unserem Magazin «Info», im elektronischen Newsletter und natürlich auf unserer Website.

Recht (Katharina Anderegg)

Neue Prozesse und personelle Unterstützung

Im ersten Quartal hat mich die Vorbereitung der Vereinsversammlung beschäftigt. Es handelte sich erstmals um eine hybride Versammlung, d.h. die Mitglieder konnten zu Hause online ihre Stimme abgeben oder aber physisch an der Versammlung teilnehmen. Die neue Art der Durchführung führte dazu, dass sich mehr Mitglieder an den Abstimmungen beteiligt haben. Erfreulich war, dass trotz der Möglichkeit der Online-Abstimmung immer noch viele Mitglieder den Austausch an einer physischen Versammlung schätzen.

Bei der Ausarbeitung der Arbeitsverträge für die Infusionsfachpersonen konnte ich mich auf denjenigen für die Begleitpersonen abstützen.

Das Projekt Datenschutz-Anpassung wurde von einer von uns eingestellten Jura-Studentin weiter vorangebracht und finalisiert. Erfreulicherweise stellte sich diese zudem zur Verfügung, die internen Schulungen im Zusammenhang mit den neuen Richtlinien durchzuführen. Damit wurde die Umsetzung «in einem Guss» gewährleistet.

Im Rahmen der Anpassung des Vereins an die wachsenden Mitgliederzahlen haben wir in den letzten Jahren diverse Restrukturierungen in unseren Abläufen und unserer Organisation umgesetzt. Dabei zeigte sich auch, dass eine zentrale Human Resources-Stelle bis anhin fehlte und aus diesem Grund bei Einstellungen bzw. Kündigungen personelle Ressourcen beansprucht wurden, welche anderweitig sinnvoller hätten eingesetzt werden können. Aus diesem Grund hat der Vorstand im Berichtsjahr beschlossen, vorerst eine Soll-Ist- Analyse erstellen zu lassen und hat einen entsprechenden Auftrag an eine externe Spezialistin erteilt. Aufgrund der Analyse-Resultate beschloss der Vorstand in der Oktober-Sitzung, neu eine HR-Leitung einzusetzen.

Unterdessen konnte eine hochqualifizierte und erfahrene HR-Fachfrau gewonnen werden. Ab Januar 2023 hat diese die Funktion als Gesamt-HR-Leiterin für sämtliche EXIT-Mitarbeitenden übernommen. Ausserdem wird sie interne Datenschutzbeauftragte und unterstützt mich in juristischen Angelegenheiten.

Ein wichtiger Punkt im Berichtsjahr war der Prozess gegen eine unserer Infusionsfachfrauen. Diese legte 2021 einer betagten und sehr kranken Patientin wunschgemäss eine Infusion, damit diese sich das Mittel selbst verabreichen konnte. Die Infusionsfachfrau merkte aber rasch, dass die Flüssigkeit teilweise auch unter die Haut floss und steckte danach den Schlauch für ein besseres Einlaufen in den anderen Arm um.

Für die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern war dies nicht zulässig, sie erhob Anklage wegen vorsätzlicher Tötung, ein sehr schwerwiegender Vorwurf. Die Dauer, bis der Prozess tatsächlich stattfand, war ins- besondere für die Infusionsfachfrau, aber auch für die EXIT-Kolleginnen und Kollegen sehr belastend. Glücklicherweise führte die Verhandlung zu einem klaren Freispruch. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern meldete zunächst Berufung gegen das Urteil an, zog diese dann aber zurück. Der erstinstanzliche Freispruch ist somit rechtskräftig.

Auch im Tagesgeschäft gab es immer wieder rechtliche Fragen zu unterschiedlichen Themen wie z.B. zum Sterbemedikament zu beantworten, wenn auch tendenziell weniger als in den Vorjahren.

Finanzen (Andreas Russi)

Digital unterwegs

Am 5. Oktober 2022 war es nach knapp drei Jahren soweit: Ohne wesentliche Unterbrüche im laufenden Tagesgeschäft wurde mit neuer Soft- und Hardware unter realen Bedingungen der Regelbetrieb des neuen CRM (Customer- Relationship-Management) – das elektronische Verwaltungssystem unserer Organisation – sowie der neuen Buchhaltungs-Software erfolgreich aufgenommen. An dieser Stelle bedanke ich mich persönlich und im Namen des gesamten Vorstands bei unserem Projektleiter «flexIT» und Leiter Finanzen, unserem Geschäftsführer, unseren Mitarbeitenden und bei unseren Drittpartnern für die ausgezeichnete Arbeit und Ausdauer – well done!

Das Berichtsjahr 2022 war auch sonst ereignisreich und forderte viel Aufmerksamkeit. Es galt in regelmässigem Austausch mit dem Geschäftsführer und dem Leiter Finanzen die zentralen Informationen zum Tagesgeschäft und zu weiteren wichtigen Arbeiten (z.B. im Personalwesen, Investitions- und Unterhaltsplan für unsere Liegenschaft, oder beim elektronischen Work- flow für Lieferantenrechnungen) richtig einzuordnen und gesamtheitlich zu beurteilen. Die Vorbereitung und periodische Finanzberichterstattung an den Vorstand sowie die Mitarbeit in den Vorstandsgeschäften der anderen Ressorts zeigten mir immer wieder auf, wie breit gefächert die Themen und Herausforderungen von EXIT sind.

In meiner Funktion als Präsident habe ich im Berichtsjahr vier Sitzungen der Anlagekommission vorbereitet und geleitet. Diesen sind jeweils vertiefte Abklärungen und Analysen in Zusammenarbeit mit unseren Anlageberatern vorangegangen. Die Zinsentscheide verschiedener Notenbanken und die geopolitischen Ereignisse haben die Kapitalmärkte kräftig durchgeschüttelt und als Novum allen Anlageklassen wesentliche Verluste beschert. Der Analyse und Einordnung all dieser Informationen habe ich ein hohes Mass an Beachtung schenken müssen. Die Entscheide über die Finanzanlagen dienten hauptsächlich der Erhaltung des Gleichgewichts in unserer Vermögensallokation. In einzelnen Fällen wurden Wertschriftenverkäufe mit Gewinnmitnahmen vorgenommen oder gezielt zur Risikoreduktion eingesetzt.

Das Börsenjahr 2022 ist gelinde gesagt ein Jahr zum Vergessen. Das ausgewogene Wertschriftenportfolio mit einem relativ hohen Anteil an Liquidität, der starke Schweizer Franken, das Festhalten an der langjährig verfolgten Anlagestrategie sowie die nötige Gelassenheit der Anlagekommissionsmitglieder inklusive deren wohlüberlegte Entscheidungen haben EXIT vor grösseren Verlusten bewahrt. Ich bin gespannt, was uns die Kapitalmärkte im Jahr 2023 bescheren werden. Grosse Aufmerksamkeit wird auch im laufenden Vereinsjahr notwendig sein.

Weitere Schwerpunkte in meiner Tätigkeit waren das Budget 2023 – die Genehmigung durch den Vorstand erfolgte in der Dezember-Sitzung 2022 (siehe separaten Kommentar zum Budget 2023) – und die Jahresrechnung zum Vereinsjahr 2022.

Geschäftsführung (Bernhard Sutter)

Fokus Mitgliedernähe

Für EXIT als einen der grösseren Vereine der Schweiz sind die Anliegen der Mitglieder zentral. Um diese kümmert sich die Vereinsverwaltung. Mit 40 Festangestellten und 60 Aussenmitarbeitenden betreuen wir aus Zürich sowie aus den Büros Bern, Basel, Tessin rund 155000 Mitglieder. Der bedeutende Digitalisierungsschritt im Berichtsjahr hat noch mehr Mitgliederfreundlichkeit gebracht: sofortiger Beitritt, verschiedene Auswahlmöglichkeiten, Online-Patientenverfügung, diverse Zahlarten, problemlose Mutationen, sichere Kommunikation und alles Wichtige auf einen Blick im Portal. Dennoch ersetzt der Computer nicht den Menschen – wo es darauf ankommt, in Beratung und Begleitung, ist EXIT am Telefon oder persönlich für alle Rat- und Hilfesuchenden da.

Nicht erst seit diesen Verbesserungen erfahren wir täglich Dank und Bestätigung. Das freut und motiviert uns. Grund sind unsere ohne Ausnahme engagierten, kompetenten Mitarbeitenden. Mit Herz und Verstand versuchen sie den oft schweren Schicksalen und auch speziellen Anliegen Rechnung zu tragen. Eine Medienpersönlichkeit hat uns nach der Erstberatung gemailt: «Unklarheiten habe ich im Gespräch mit dem Team ausräumen können. Es hat aufmerksam zugehört und in einer angenehmen Mischung aus Professionalität und Menschlichkeit reagiert. Kompliment für solches Personal!»

EXIT investiert in unsere wichtigste «Ressource». Wir stocken auf, stärken die Regionen, schaffen neue Funktionen, stellen ein. Sichtbar im Berichtsjahr auch an einer umfassenden HR-Analyse und der Weichenstellung für ein modernes Personalwesen. Interne Schulungen und Weiterbildungsmöglichkeiten zählen ebenso dazu.

Das starke Wachstum von EXIT freut und fordert uns. 40 Jahre nach Gründung waren 2022 aber nicht die Aufnahme von über 17000 Neumitgliedern, die Ausgabe von fast 20000 Patientenverfügungen, die Beratung von mehreren Tausend Patientinnen und Patienten oder die Abklärung von über 1500 Sterbewilligen die grosse Herausforderung. Auch nicht der Einsatz gegen einschränkende Erlasse der Ärzteverbände, anachronistische Gesetzesbestimmungen, Bevormundung durch die Heimlobby oder den Amtsschimmel nach einer Freitodbegleitung. Klar mit dem grössten Engagement setzen wir uns ein für tragische Einzelschicksale: wenn Demenz die Persönlichkeit auszulöschen droht, der Krebs unaufhaltsam wuchert, nach einem Ereignis keine Aussicht auf Besserung besteht, die Altersleiden unerträglich geworden sind ...

Das «EXIT-Jahr» – von Jahresabschluss und Revision, über Tagungen, Treffen, Vereinsversammlung (erstmals mit Online-Stimmabgabe für Zuhausegebliebene) bis hin zum Weltkongress der Selbstbestimmungsorganisationen – war reich befrachtet. Besondere Highlights: die Veranstaltungen rund um das Erscheinen des EXIT-Buchs «Selbstbestimmt bis zuletzt» (Verlag NZZ Libro) sowie die grosse Mitglieder-Umfrage zum EXIT-«Info».

Die Geschäftsführung ist Schnittstelle aller Interaktionen, Arbeiten und Kooperationen sowie der Abteilungen, Gremien, Kommissionen und Drittpartnern. Wichtige Projekte neben der Digitalisierung «flexIT» waren: Datenschutz, Werbekampagne, Wartungs- und Unterhaltsplan Liegenschaft und Planung entsprechender Erneuerungsmassnahmen, Einarbeitung Kommunikationsvorstand sowie Mediensprecherin. Erwähnt gehört hier auch die Arbeit zusammen mit den anderen Verantwortlichen in der Anlagekommission. Trotz schwierigem Börsen- und Anlagejahr geht es EXIT finanziell weiterhin gut.

Das Wertvollste für die Organisation ist jedoch unsere Seriosität und Glaubwürdigkeit, wofür wir alle einstehen. Der Geschäftsführer dankt den Mitgliedern für das entgegengebrachte Vertrauen, dem Vorstand für die konstruktive Zusammenarbeit, den Freitodbegleitpersonen für ihre anspruchsvolle Hilfeleistung zugunsten kranker Mitglieder, der GPK für ihre wichtige Kontrollfunktion. Ein spezielles Dankeschön geht an die Mitarbeitenden. Nicht zuletzt wollen wir den 4087 Mitgliedern gedenken, die uns im Jahresverlauf verlassen haben. Unter den Verstorbenen ist Chansonnier und Anwalt Jacob Stickelberger, der EXIT fast zwei Jahrzehnte im Patronatskomitee unterstützt hat.

Geschäftsprüfungskommission (GPK)

Auftrag
Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) von EXIT nimmt Einblick in die Tätigkeit des Vorstands und der Geschäftsführung. Zudem prüft sie periodisch, ob die gesetzlichen und statutarischen Bestimmungen sowie die Reglemente korrekt angewendet werden und ob die Beschlüsse der Vereinsversammlung und des Vorstands ordnungsgemäss vollzogen werden.

Tätigkeiten
Die GPK traf sich im Berichtsjahr zu vier Sitzungen, nämlich am 1. April 2022, am 21. Mai 2022, am 9. November 2022 und am 8. Dezember 2022. Der weitere Austausch fand auf dem Korrespondenzweg und per Telefon statt.

Am 24. November 2022 kontrollierte die GPK auf der Geschäftsstelle in Zürich den Lagerbestand des Medikaments Natrium-Pentobarbital (NaP), das von EXIT für die Sterbehilfe verwendet wird. Sie stellte fest, dass das NaP sicher aufbewahrt wird und über die Ein- und Ausgänge sorgfältig und zweckmässig Buch geführt wird.

Allgemein kann die GPK feststellen, dass Vorstand und Geschäftsleitung den Verein im 2022 umsichtig führten und die gesetzlichen und statutarischen Bestimmungen eingehalten wurden. Die Reglemente und Richtlinien des Vorstands wurden seitens der Geschäftsstelle richtig angewendet und die Beschlüsse der Vereinsversammlung und des Vorstands ordnungsgemäss vollzogen.

Die GPK hatte mehrmals Gelegenheit, sich über Teilbereiche des Digitalisierungsprojekts zu informieren. Dabei gewann sie den Eindruck, dass das Projekt umsichtig, rechtskonform und im vorgesehenen Zeitplan umgesetzt wurde. Die GPK wird die weitere Umsetzung verfolgen.

Prüfung der Akten
Seit Bestehen der Geschäftsprüfungskommission von EXIT gehört die stichprobenartige Durchsicht und Prüfung der zu einer Freitodbegleitung benötigten Dokumente, Unterlagen und Akten zu ihren Kernaufgaben. Dazu gehören Arztzeugnisse, Krankengeschichten, allfällige Spitalaustrittsberichte, Gesprächsberichte mit den Sterbewilligen, die ärztliche Bestätigung der Urteilsfähigkeit der sterbewilligen Person, die Ausstellung des Rezeptes für das Sterbemittel NaP, das Protokoll der Freitodbegleitung, allfällige Gutachten und weitere Unterlagen. Mit diesem Vorgehen wird den hohen Ansprüchen, die EXIT an eine Freitodbegleitung stellt, Rechnung getragen. Diese Prüfung ist für die GPK sehr wichtig, um festzustellen, ob alles im Rahmen der gesetzlichen und reglementarischen Vorschriften abgelaufen ist. Die GPK stellt fest, dass die Sterbebegleitungen den erforderlichen Standards vollends gerecht werden.

Die Statistik über Akteneröffnungen und Freitodbegleitungen sind im Jahresbericht des zuständigen Vorstandsressorts Freitodbegleitung publiziert.

Finanzen
Die GPK traf sich am 27. Februar 2023 mit Marion Schafroth, EXIT-Präsidentin, Andreas Russi, Vorstandsmitglied und verantwortlich für das Ressort Finanzen, Bernhard Sutter, Geschäftsführer, und Romano Cavegn, Leiter Buchhaltung, sowie mit der externen Revisorin Claudia Suter, um die vorab zugestellte Jahresrechnung 2022 zu besprechen und sich einzelne Positionen der Erfolgsrechnung erklären zu lassen. Die GPK stellt fest, dass das Vereinsvermögen sorgfältig verwaltet wird. Zwar musste beim Finanzergebnis ein Verlust hingenommen werden; dieser ist aber dem angespannten Anlagemarkt zufolge der geopolitischen Situation geschuldet und er entspricht dem Durchschnitt. Dennoch resultierte namentlich aufgrund einer Zunahme der Mitgliederbeiträge, einer grösseren Erbschaft und einem positives Fondsergebnis ein gesamthaft positives Jahresergebnis. Die GPK dankt dem Finanzchef für die umsichtige Verwaltung des Vereinsvermögens.

Zusammenarbeit mit dem Vorstand
Die Geschäftsprüfungskommission erhält regelmässig die Protokolle der Vorstandssitzungen und gewinnt dadurch Einblick in alle laufenden Geschäfte. Zusätzlich bestehen Telefon- und E-Mail-Kontakte zwischen den Mitgliedern der GPK, des Vorstands und der Geschäftsstelle. Dies erlaubt es der GPK, auf allfällige Probleme rechtzeitig einzugehen.

Dank
Die Geschäftsprüfungskommission verdankt die im vergangenen Vereinsjahr geleistete grosse Arbeit. Sowohl vom Vorstand als auch vom Team der Begleitpersonen, den Konsiliarärzten und -ärztinnen sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäftsstelle wurde eine anspruchsvolle Arbeit mit viel Engagement und fachlichem Können geleistet.

DR. PATRICK MIDDENDORF (PRÄSIDENT), HUGO STAMM, DR. CHRISTA STAMM