Gespräche mit Nationalfonds gescheitert
Es bestehen Zweifel an der Objektivität des nationalen Forschungsprogramms «Lebensende». Bei einer Aussprache konnten diese nicht ausgeräumt werden. Die Selbstbestimmungs-Organisationen beschreiten den juristischen und politischen Weg gegen die vermuteten Missstände.
Der Bundesrat hat die Erforschung des Sterbens in der Schweiz dem Schweizerischen Nationalfonds übertragen. Damit sollen Grundlagen für die künftige Gesetzgebung im Bereich Lebensende gewonnen werden. Die mit 15 Millionen Steuergeldern finanzierte und bis 2018 laufende Forschung muss entsprechend wissenschaftlich, objektiv und unbefangen ausfallen.
Kaum gestartet, fiel jedoch auf, dass ausgerechnet ein Lobbyist für Mediziner- und Kirchenkreise, der deutsche katholische Theologe und SAMW-«Ethiker» Markus Zimmermann-Acklin, zum Leiter gewählt wurde und der Ausführungsplan entsprechend ablehnend gegenüber Selbstbestimmung und Sterbehilfe herausgekommen ist sowie weitere Freitodhilfekritiker in die Leitungsgruppe berufen worden sind. Ausserdem liess sich feststellen, dass zu Beginn vorhandene Ansätze zur besseren Erforschung des Suizidgeschehens bei der Ausgestaltung des Forschungsprogramms verschwunden sind. Es entstanden Zweifel, ob ein derart geführtes Forschungsprogramm objektive Resultate erbringen kann oder ob es nicht zweckentfremdet wird, um die politisch gescheiterte Einschränkung der Sterbefreiheit in der Schweiz unter dem Deckmantel der «Wissenschaft» in Frage zu stellen.
Nachfragen von Parlamentariern und Bundesrat konnten noch mit Floskelantworten («gemäss etabliertem Verfahren gewählt»; «Erfahrungsprofil lässt keine Voreingenommenheit erkennen»; «strenge und transparente Selektionskriterien») abgespiesen werden. Doch nachdem die Presse Ende April die Vorwürfe publik machte («einseitige Resultate befürchtet», «Empörung gegen Bundesprojekt», «Kritik an Forschung», «recherche jugée partiale»), kamen die Verantwortlichen beim Nationalfonds nicht umhin, den Dialog zu suchen. Sie luden die fünf Schweizer Selbstbestimmungs-Organisationen zu einer Aussprache.
Auf die Sorge um die Qualität und die Objektivität ging der Nationalfonds dabei jedoch nicht ein. Kategorische Antwort: Es sei alles rechtens, das Verfahren eingehalten. Auf Detailfragen, wie es zu so einer Wahl, zu so einem Ausführungsplan, zu so einer Auswahl von Forschungsprojekten habe kommen können und ob die Wahlbehörde überhaupt je Publikationen oder öffentliche Auftritte des Moraltheologen zur Kenntnis genommen habe, antwortete der zuständige Forschungsratspräsident wiederholt in dieser Art: «Kein Kommentar; ich bin nur zum Zuhören gekommen; ich bin als Privatperson hier.»
Gegenüber den Medien hatte sich der Nationalfonds gerechtfertigt, Befangenheit spiele zumindest bei der Auswahl der Studien keine Rolle, da nicht das Leitungsgremium abschliessend entscheide, sondern externe Experten aufgrund der Vorschläge der Leitungsgruppe die Projekte formell absegneten. Gleichzeitig erklärte der Nationalfonds aber die Namen dieser Experten als Geheimsache, ebenso die internen Abläufe. Es lässt sich also einstweilen nicht überprüfen, wer die Experten sind oder wie unabhängig und unbefangen sie agierten.
Hingegen hat der Nationalfonds gemerkt, dass es ihm an Glaubwürdigkeit mangelt, wenn er die Suizidhilfe erforschen will, ohne jene, welche darum nachsuchen, oder diejenigen, welche sie leisten, mitzuuntersuchen. In der Aussprache bat er deshalb die Selbstbestimmungs-Organisationen um Daten und Zugang zu «Sterbewilligen». Im Gegenzug bot er «ein Treffen pro Jahr mit Infos zum Forschungsprogramm» an. Da die angestrebte Studie jedoch nicht repräsentativ für die Schweiz gewesen wäre (ignorieren der lateinischen Schweiz) und auch sonst zu wenig wissenschaftlich, fand das keine der angefragten zwei der fünf Organisationen seriös.
Die Verweigerung von Transparenz durch den Nationalfonds weckt weitere Zweifel an den Abläufen und der Objektivität. Zumal ein von ihm selber in Auftrag gegebenes Gutachten kürzlich ergab, dass es bei der Vergabe tatsächlich noch Verbesserungspotenzial gibt.
Auch der Leiter Wissenstransfer des Forschungsprogramms spricht sich in einem Wissenschaftsblog klar für Transparenz aus: «Es braucht einen Puffer zwischen Finanzierung und Forschung, zwischen Besteller und Lieferant der Forschung. Bei den Nationalen Forschungsprogrammen stellt der Nationalfonds diesen Puffer dar. Wichtig ist in jedem Fall aber Transparenz. Denn ohne diese hat die Forschung ihr Vertrauen schnell verspielt.»
Die Selbstbestimmungs-Organisationen haben in der Zwischenzeit ein Verfahren auf der Grundlage des Öffentlichkeitsgesetzes eingeleitet, mit welchem nötigenfalls durch das Bundesverwaltungs- und das Bundesgericht zu klären sein wird, ob die Geheimhaltungspraxis des Nationalfonds trotz des herrschenden Öffentlichkeitsprinzips zulässig ist. Die befürchtete Zweckentfremdung von 15 Millionen Steuergeldern verlangt unter Umständen auch das Einschalten der politischen Aufsicht über den Schweizer Nationalfonds.