Geschichte
Keine 100 Bürgerinnen und Bürger haben im Frühjahr 1982 EXIT gegründet.
Heute sind es über 160 000 Mitglieder. Zusammen haben sie viel erreicht für die Menschen dieses Landes. Die Patientenverfügung, die EXIT 1982 aus den USA in die Schweiz brachte, ist seit 2013 landesweit noch stärker anerkannt. Und die Freitodhilfe, von EXIT seit 1985 praktiziert, ist heute auch dem Bundesrat so wichtig, dass er sie nicht mehr einschränken möchte. Mehr als 40 Jahre Einsatz gegen Widerstand aus Gesundheits- und Heimwesen, aus Behördenkreisen, aus Kirchen und anderen selbst ernannten Moralinstanzen haben sich gelohnt.
1975-1980
Die Vorgeschichte
Die Zeit und die Schweiz sind reif für EXIT. Schon seit den 70er-Jahren ist Sterbehilfe zum öffentlichen Thema geworden. Im Nationalrat reichen zwei Parlamentarier Initiativen zugunsten der "passiven Sterbehilfe" ein; kurz darauf jedoch ziehen sie diese wieder zurück, weil sie kaum Unterstützung finden. Radikaler ist eine Zürcher Volksinitiative: Der Kanton Zürich soll bei den eidgenössischen Räten eine Standesinitiative zur "Sterbehilfe auf Wunsch für Unheilbarkranke" einreichen. Zur allgemeinen Überraschung nehmen die Stimmberechtigte die Initiative 1977 mit gegen 60 Prozent Ja an. Gegen ihren Willen muss die Zürcher Kantonsregierung die Initiative bei den eidgenössischen Räten einreichen - doch diese lehnen den Vorstoss 1979 ab. In der Bevölkerung aber ist Sterbehilfe bereits akzeptiert.
1980-1982
Eine Frau gründet EXIT
Die Idee zur Gründung von EXIT hat Hedwig Zürcher, geboren 1905, pensionierte Berner Lehrerin, 1980. Walter Baechi, ein bekannter Zürcher Anwalt und Mitglied des Landesrings der Unabhängigen (LdU), unterstützt das Engagement. 69 Gleichgesinnte, darunter Rolf Sigg, Psychologe und reformierter Pfarrer in Grenchen, tragen sich am 3. April 1982 als Mitglieder ein. Einstimmig genehmigen sie den Namen - "EXIT (Deutsche Schweiz) Vereinigung für humanes Sterben", wählen Baechi zum Präsidenten und erlassen die Statuten. Darin nennt der Verein als Ziele das freie Verfügungsrecht des Menschen über sein Leben, das freie Selbstbestimmungsrecht des Kranken, das Recht des Menschen auf einen humanen Tod und "die Legalisierung der Sterbehilfe für Schwerkranke unter strengen Voraussetzungen".
1982-1984
Erste Aktivitäten
In der Schweiz gibt es bis dato keine Patientenverfügungen. EXIT führt diese - nach US-Vorbild - in der Schweiz ein. Man sieht vor, dass EXIT-Mitglieder ihre Verfügungen bei der Geschäftsstelle in Zürich sicher deponieren und eine Kurzfassung im Sinn eines Notfallausweises auf sich tragen können. Dieses Angebot löst eine Welle von Beitritten aus. Wenige Wochen nach Gründung zählt der Verein schon mehr als 1000 Mitglieder. Bereits in den ersten Wochen des Bestehens tritt EXIT der internationalen Dachorganisation World Federation of Right-to-Die Societies mit Sitz in New York bei. Als nächstes wird interessierten Mitgliedern eine "Freitod-Broschüre" zur Verfügung gestellt.
Die Generalversammlung 1984 fällt eine wichtige Entscheidung: EXIT streicht die aktive Sterbehilfe (Tötung auf Verlangen) als Ziel und ersetzt sie durch "Freitodhilfe". Mit dem Verzicht verspricht sich EXIT eine Verbesserung des Verhältnisses zur Ärzteschaft. Präsident Baechi im Versammlungsbericht: "Der sterbewillige Kranke kann den Freitod wählen. Wenn er dazu Hilfe braucht, so darf man sie ihm gewähren. Auch der Arzt darf das. Solange der Patient ein Medikament selber einnehmen kann, verstösst er nicht gegen das Gesetz." Damit hat EXIT die Grundlagen für die Freitodbegleitung gelegt.
1984-1987
EXIT beginnt mit Freitodbegleitungen
1984 wünscht ein Tessiner EXIT-Mitglied, das durch eine unheilbare Krankheit und zahlreiche Operationen stark behindert ist, die Hilfe von EXIT beim Sterben. Die starken Medikamente, die zu diesem Ziel führen sollen, verschreibt der Hausarzt der betroffenen Frau. Im Januar 1985 findet die erste EXIT-Sterbebegleitung statt. Dennoch kommt es zu keinem Boom; in den ersten drei Jahren ersuchen jeweils weniger als ein halbes Dutzend EXIT-Mitglieder um diese Dienstleistung.
Die Polizeistellen und die Untersuchungsrichter müssen sich erst daran gewöhnen, dass der begleitete Freitod eine legale Möglichkeit für Schwerkranke ist. "Am Anfang sind wir oft wie die Bösewichte dagesessen, wenn wir nach dem Tod des betroffenen Mitglieds auf die Polizei warteten", sagt der damalige Geschäftsführer Rolf Sigg.
Ende 1986 zählt EXIT rund 15 000 Mitglieder. Für die meisten ist nicht die Möglichkeit der Sterbebegleitung, sondern das Angebot der Patientenverfügung der Grund zum Beitritt. Viele beruhigt der Gedanke, selbst bestimmen zu können, dass das eigene Leben nicht durch das Potenzial der Medizialtechnologie verlängert wird.
1987-1993
EXIT "entdeckt" NaP
Die Sache von EXIT bekommt wichtige Unterstützung durch ein Rechtsgutachten der Universität Zürich: "Die PV ist nach Art. 28 ZGB verbindlich; das Nichtbefolgen der PV ist eine Verletzung der persönlichen Verhältnisse, des Persönlichkeitsrechts des Patienten." EXIT ist nicht nur damit eine wichtige und weit herum respektierte Institution geworden. Mit 80 tritt Präsident Baechi 1989 zurück (und stirbt noch im selben Jahr selbstbestimmt). Der Anwalt Christof Peter präsidiert EXIT bis 1992. Zum 10-Jahre-Jubiläum erreicht die Vereinigung bereits die stolze Zahl von mehreren 10000 Mitgliedern. Präventivmediziner und LdU-Altnationalrat Meinrad Schär wird zum neuen Präsidenten gewählt. Auf Initiative von EXIT-Vizepräsident Wolfgang Hopff, einem Pharmakologen und Mediziner, verwendet EXIT bei den Sterbebegleitungen künftig nicht mehr die bisherige, komplizierte Medikamentenmischung, sondern das einfachere, rascher wirkende Natrium-Pentobarbital (NaP). Es ist sein grosser Verdienst, NaP als das bis heute weltweit geeignetste, sanfteste und würdigste Freitodmittel entdeckt zu haben.
1993-1999
Krisen und Konflikte
Der Übergang von den EXIT-Pionieren zur Generation von jüngeren Erneuerern verläuft nicht glatt. Sachliche Differenzen zwischen dem EXIT-Vorstand und dem Geschäftsführer führen in eine chronische Krise, die sich an der Generalversammlung 1998 im Zürcher Kongresshaus entlädt. Der bisherige Präsident Meinrad Schär tritt altershalber zurück. Leiter der Sterbebegleitung wird Pfarrer Werner Kriesi. Die Beschlüsse der Generalversammlung führen zum Austritt von EXIT-Mitgliedern, darunter Rechtsanwalt Ludwig A. Minelli, der unmittelbar darauf eine neue Sterbehilfeorganisation unter dem Namen "Dignitas" gründet. Interne Turbulenzen halten EXIT einige Zeit in Atem. Erst nach der Generalversammlung 1999 kehrt mit der neuen, einstimmig gewählten Präsidentin Elke Baezner wieder Ruhe ein.
1999-2004
Modernisierung
Auf Vorschlag des GPK- und nachmaligen EXIT-Präsidenten Hans Wehrli wird der Vorstand auf fünf Mitglieder reduziert, die alle auch operative Funktionen zu übernehmen haben und dafür entschädigt werden. Als Aufsichtsorgan wird eine nur der Generalversammlung gegenüber verantwortliche Geschäftsprüfungskommission gebildet, die in sämtliche Akten Einblick hat und die alle Freitodbegleitungsdossiers einzeln prüft. Die Finanzen werden von einer eidgenössisch lizenzierten Revisionsstelle kontrolliert. Eine Ethikkommission aus auch externen Fachleuten gibt Empfehlungen an den Vorstand und die Leitung Freitodbegleitung. Die Freitodbegleitung wird systematisch geregelt. Deren Leiter Werner Kriesi übernimmt kurzzeitig auch das Präsidium.
2004-2007
Ausbau
Unter der neuen Präsidentin Elisabeth Zillig wird die Geschäftsstelle weiter ausgebaut und professionalisiert. So kann EXIT die steigende Nachfrage nach ihren Dienstleistungen befriedigen. Die breite Akzeptanz der Sterbehilfe in der Bevölkerung (um die 80 Prozent in Abstimmungen und Umfragen) ist jedoch noch nicht in der Politik und in den Medien angekommen.
2007-2009
Starkes Wachstum
Zu forsches Vorgehen anderer Sterbehilfeorganisationen führt wiederholt zu Schlagzeilen und zu politischen Vorstössen von Selbstbestimmungsgegnern, welche den Leidenden die Sterbehilfe verbieten möchten. EXIT reagiert unter dem neuen Präsidenten und ehemaligen Zürcher FDP-Politiker Hans Wehrli umgehend mit professionellem Lobbying und intensiver Kontaktpflege zu Kantonen, Bund, Behörden und Medien. Alle Einschränkungsversuche erleiden Schiffbruch. Die Öffentlichkeitsarbeit wird professionalisiert, was zu einem anhaltenden starken Wachstum des Mitgliederbestands führt.
2009-2011
Die Etablierung
2010 wird die Basler Advokatin und ehemalige Grossrätin Saskia Frei zur Präsidentin gewählt. Unter ihr widmet sich EXIT in einer ersten Phase der Politik und in einer zweiten der Konsolidierung. Advokatin Frei richtet EXIT zielstrebig als moderne Non-Profit-Organisation aus und stellt EXIT für die Zukunft neu auf. Das Resultat darf sich sehen lassen: EXIT ist heute ein professionell und seriös geführtes, gemeinnütziges Unternehmen mit transparenten Strukturen. Die Beziehungen zu Behörden und Justiz sind sachlich und korrekt, die Medien, das Volk und in der Folge auch das Parlament und die Regierung haben endgültig Vertrauen in die Sterbehilfeorganisation gefasst, und sogar international ist EXIT eine angesehene Organisation, von der andere Länder oft lernen wollen. EXIT hat sich als einer der grösseren Vereine der Schweiz etabliert, dessen Mitgliederzahl einer mittleren Bundesratspartei entspricht.
2012
Das Jubiläumsjahr
2012 ist EXIT (Deutsche Schweiz) 30 Jahre alt geworden. Das Jubiläumsjahr ist mit einem ein-wöchigen Sterbehilfekongress sowie einer Feier mit Dinner nach der Generalversammlung begangen worden. Unter den vielen Rednerinnen und Rednern war Bundesrätin Simonetta Sommaruga die prominenteste. Im Jubiläumsjahr hat EXIT einen Informationsfilm, eine Schrift zur 30-jährigen Geschichte sowie eine Broschüre mit Berichten von trauernden Angehörigen herausgegeben. Bei Interesse können sie bei der Geschäftsstelle bestellt werden.
Gegenwart
Gesellschaftliche Anerkennung
Was früher undenkbar war, ist heute selbstverständlich. Das gilt nicht nur für die Akzeptanz der Patientenverfügung oder die mitmenschliche Begleitung durch EXIT beim Freitod. In den letzten Jahren hat EXIT mehrere Preise zugesprochen erhalten: So ist etwa EXIT-Mitgründer Pfarrer Rolf Sigg u.a. mit dem "Prix Courage" ausgezeichnet worden und ein von palliacura mitherausgegebenes Buch ist mit dem Arthur-Koestler-Sonderpreis ausgezeichnet worden. Die EXIT-Experten werden heute in politische Gremien, behördliche Sitzungen, Schulen, in Radio und TV, zu Vorträgen in Firmen und Vereine und an öffentliche Veranstaltungen geladen. Sein Selbstbestimmungsrecht auszuüben, ist in der Schweiz selbstverständlich geworden. EXIT blickt optimistisch in die Zukunft.