Legalinspektionen: Gutes Zeugnis für Behörden
Eine Erhebung zu den amtlichen Untersuchungen nach Freitodbegleitungen zeigt: Die Behörden arbeiten in der Regel kooperativ mit EXIT zusammen. Dennoch besteht Handlungsbedarf.
Nach einem Suizid – und damit auch bei einem assistierten Suizid – müssen die Behörden eine amtliche Untersuchung einleiten. So erscheinen am Sterbeort meist mehrere Polizisten, mindestens ein Amtsarzt führt eine sogenannte Legalinspektion des Leichnams durch und die Staatsanwaltschaft ist involviert. Obwohl das Prozedere für Hinterbliebene belastend sein kann, ist aufgrund der Rechtslage eine Abschaffung der Untersuchung nicht zulässig und derzeit auch nicht im Interesse von EXIT. Die Gründe: Die Inspektionen und das juristische Verfahren sichern die Arbeit des Vereins ab und entlasten alle Anwesenden von jeglichem Verdacht. Die Kantone legen die Strafprozessordnung bei den Untersuchungen dieser so genannten aussergewöhnlichen Todesfälle unterschiedlich aus.
900 Begleitungen untersucht
Um Legalinspektionen zu vereinfachen, hat EXIT während des Jahres 2018 insgesamt rund 900 Freitodbegleitungen in 24 Kantonen unter die Lupe genommen. Mit diesen konkreten Daten können kantonale Unterschiede sichtbar gemacht und nach Möglichkeit einen für alle Parteien optimalen Ablauf installiert werden. Die Untersuchungsergebnisse stellen den Behörden bei der Zusammenarbeit grundsätzlich ein gutes Zeugnis aus.
So erfolgen über die Hälfte (54%) der Inspektionen ausschliesslich durch zivil‐gekleidete Beamte, was auf Hinterbliebene weniger belastend wirkt. Ebenfalls bei über der Hälfte der Inspektionen (52%) sind nur zwei Polizisten vor Ort, bei einem Viertel gar nur einer. Bei zwei von drei Begleitungen erhalten die Hinterbliebenen eine Informationsbroschüre, welche sie über das weitere Vorgehen orientiert. In den meisten Fällen (82%) ist nur ein Arzt vor Ort, der die Leichenschau durchführt. Drei von vier Inspektionen (76%) finden ohne anwesenden Vertreter der Staatsanwaltschaft statt, was als Vertrauensbeweis gegenüber EXIT zu werten ist. Fast alle (97%) behördlichen Untersuchungen verlaufen anstandslos sowohl gegenüber den Hinterbliebenen als auch gegenüber den Begleitpersonen.
Neben den guten Noten besteht jedoch nach Ansicht von EXIT aufgrund der erhobenen Daten auch Handlungsbedarf bei den Behörden. So werden ein Viertel der behördlichen Legalinspektionen von rein uniformierten Polizeibeamten durchgeführt. Hierbei spielen kantonale Begebenheiten eine Rolle, zum Beispiel wenn Kapazitäten für ein anderes Vorgehen fehlen.
Unnötige Spurensicherung
Daneben erscheint nach fast der Hälfte (44%) der Begleitungen der Kriminal‐Technische‐Dienst (KTD) der Polizei. Das ist nach Ansicht von EXIT unverhältnismässig. Denn es müssen keine Spuren gesichert, keine Fingerabdrücke genommen oder Blutproben entnommen werden. Tatsache ist: Bei einer Freitodbegleitung von EXIT sind sowohl die Identität des Verstorbenen, die Todesart als auch der Todeszeitpunkt klar und wie vorgeschrieben dokumentiert sowie durch Zeugen verifiziert. Mehr ist schlicht nicht nötig.
Handlungsbedarf bei den Behörden besteht zudem, wie ein Leichnam nach einer Leichenschau zurückgelassen wird. In 104 von 900 Fällen (11%) gab es Beanstandungen, etwa weil eine Leiche entkleidet und nicht zugedeckt wurde. Diese Zahl ist nach Meinung von EXIT zu hoch, betrifft es doch den achtsamen Umgang der Behörde sowohl mit dem Leichnam als auch mit der Trauer der Hinterbliebenen.
Kantonspolizei vorab informieren
Auch EXIT ortet aufgrund der Ergebnisse Potenzial für eigene Verbesserungen: Die Verantwortlichen wollen die Kontakte zur jeweiligen Kantonspolizei intensivieren und die Freitodbegleitungen vorab anmelden. Damit könnte die Polizei alles weitere intern organisieren, und Begleitpersonen und Hinterbliebene müssten weniger lang auf die Polizeipatrouille, Staatsanwaltschaft und Ärzteschaft warten. Bereits heute kündigt EXIT in den Kantonen Glarus, Obwalden, Graubünden und Thurgau jede Begleitung vorab an – hier dauert zum Beispiel eine ärztliche Leichenschau meist deutlich weniger lang als der hohe schweizerische Durchschnitt von 40 Minuten.